Donnerstag, Februar 3, 2005, 22:08
"Der Zweck einer Kritik ist es, eine Aussage über ein Buch zu treffen, das der Kritiker gelesen hat oder auch nicht. Aus einer Kritik lässt sich insofern etwas lernen, als sie ihre Leser, den Autor des kritisierten Buches mit eingeschlossen, in gewissem Umfang über die Intelligenz des Kritikers oder seine Aufrichtigkeit oder beides zusammen belehrt."*
"Natürlich hat man an einer Universität das Problem, dass man sich an einer Jugendbildungsanstalt befindet. Ich kann mich noch erinnern, wie in den Ferien einmal - übrigens nicht an der Cornell University - ein Student ein Transistorradio mit in den Lesesaal brachte. Er brachte es tatsächlich fertig, mir zu erklären, dass er (a) "klassische" Musik spiele, (b) dies "leise" tue und dass (c) "im Sommer nicht viele Benutzer da" wären. Ich war da: eine einköpfige Menschenmenge."
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"Es ist nicht unwahrscheinlich, dass ich, hätte es in Russland keine Revolution gegeben, mich ganz auf die Lepidopterologie verlegt und nie einen Roman geschrieben hätte."
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"Meine Erzählungen und Romane habe ich meiner Frau allesamt mindestens zweimal vorgelesen. Sie hat sie dann wieder und wieder gelesen - beim Abtippen der Manuskripte, bei der Fahnenkorrektur der Druckfassungen, bei der Revision der Übersetzungen in die verschiedenen Sprachen. An einem gewissen Tag des Jahres 1950 in Ithaca, New York, war sie diejenige, die mir den Weg verlegte und mich beschwor, die Ausführung meines Vorhabens aufzuschieben und meinen Entschluss noch einmal zu überdenken, als ich, von Schreibproblemen und Selbstzweifeln bedrängt, die ersten Kapitel von LOLITA zum Papierverbrennungskorb in unseren Garten tragen wollte."
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"In diesem Berufsstand [Korrektor] habe ich lautere Geschöpfe von grenzenlosem Takt und Feingefühl kennengelernt, die, wenn es darauf ankam, mit mir über ein Semikolon diskutierten, als handle es sich um eine Ehrensache - was ja eine künstlerische Frage in der Tat auch häufig ist. Mir sind allerdings auch ein paar wichtigtuerische, onkelhafte Trampel über den Weg gelaufen, die sich bemüssigt fühlten, mir mit "Verbesserungsvorschlägen" zu kommen, welchselbe ich mit einem donnernden "stet" [es möge stehenbleiben] zu kontern pflegte."
Ausschnitte aus einem Interview in "The Paris Review", Oktober 1967.
Zu finden in: Vladimir Nabokov, DEUTLICHE WORTE. Gesammelte Werke, Band XX; heraugegeben von Dieter E. Zimmer. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg.