Donnerstag, August 10, 2006, 22:49 - KINO & FILM & TV
... wenn ein Künstler das Publikum verlässt, als umgekehrt.""Ich glaube, ich singe noch zwei Stunden nach meinem Tod."
Zitate aus "Il bacio di Tosca."
Daniel Schmid: (...) Diese ehemaligen Sängerinnen und Sänger leben alle die Geschichte ihres Lebens in einem fiktiven Raum und keiner weiss mehr genau, was wahr ist und was war. Sie behaupten, sie seien 80 Jahre alt, und sind 90; die Koffer stehen reisefertig im Zimmer, obwohl sie schon seit zehn, zwanzig Jahren hier wohnen. Und die Zeit seit dem letzten Auftritt schrumpft auf wenige Jahre zusammen. Fragt man sie, wann sie die letzte Platte besungen haben, antworten sie: «Es sind mindestens drei, vier Jahre her» - in Wirklichkeit aber sind vielleicht 40 oder 45 Jahre vergangen. Die Grenze zwischen Realität und Einbildung verschiebt sich bei ihnen in äusserster Transparenz, was mir sehr liegt, da dies auch bei mir dauernd der Fall ist. Es bildet sich eine Art Zwischenrealität heraus; denn wenn man sich dreissig Jahre lang etwas eingebildet hat, dann wird man zu dem, ob es nun stattgefunden hat oder nicht. (...)
(...) Aber es hat mich beeindruckt, dass jeder auf seinem eigenen «Sender» ist, seiner eigenen «Radiostation», dass es kaum Freundschaften gibt. Dagegen herrscht noch immer heftige Konkurrenz, die anscheinend auch jung erhält: Will man mit jemandem reden, behaupten andere, diese Person sei gestorben. Dann öffnet sich die Türe, und die für tot Erklärte erscheint. In dieser Hinsicht sind sie absolut schamlos. Einmal habe ich offensichtlich zu ausführlich mit einer alten Sängerin gesprochen; am nächsten Tag war jedenfalls ihr Porträt von Puccini, das er ihr persönlich gewidmet hat, total zerkratzt. (...)