Mittwoch, Juli 30, 2008, 18:48 - ISLAND / ICELAND
* Mein erster Island-Aufenthalt überhaupt.Nun, da ich wieder einigermassen an- und zu mir gekommen bin (nur die Uhrzeit mag ich noch nicht anpassen; meine Tage sind dadurch um eingebildete, aber wertvolle zwei Stunden länger…), kann ich rückblickend festhalten, dass ich durch Island… ja, hmmm - wohl mehr getorkelt bin als sonst etwas; erfasst von Intensitäten, für welche ich noch immer kaum einen Vergleich zur Hand habe; trunken von der betörenden Schönheit, vom unerhörten Reichtum der Landschaft; einer Landschaft, die einem wie ein offenes Buch über die Erdgeschichte zu Füssen liegt. Da ist so viel Andrang; so viel Unverhofftes; so viel Überraschendes; so viel Atem-beraubendes.
* So vieles ist da in dieser zum grössten Teil unbewohnten Landschaft - ich habe kein einziges meiner mitgenommenen Bücher (ausser die Sachliteratur zu Island) gelesen.
Kein einziges auch nur aufgeschlagen.
Nicht mal angefasst.
Ich kam gar nicht dazu.
* Oft habe ich auch meine Kamera nicht zur Hand genommen - wie gelähmt.
Bilder, die man gar nicht machen kann; die man nur mit dem Kopf - im Kopf - aufnehmen kann.
* Island hat mich ziemlich umgehauen, das muss ich schon sagen. Obwohl ich mich einigermassen gründlich vorbereitet hatte.
Lehrstück in Sachen Vorstellung und Wirklichkeit.
* Das Paradies ist offenbar häufig dort, wo man es nicht unbedingt erwartet.
* Da möchte ich ja gleich wieder hin; wenn’s nur nicht so kostspielig wäre...
Hin zu diesem unglaublichen Licht.
Zu diesem stetigen, kräftigen, frischen Wind.
Die Nase in die glasklare, reine Luft hängen.
Die Augen füttern.
Im mindestens knöcheltiefen Moos herumlaufen; herumliegen; v-e-r-s-i-n-k-e-n.
* Überwältigend: das allgegenwärtige Wasser. Auch das von oben - nirgends habe ich es bisher schöner regnen sehen als hier.
* „A few facts from SAMORKA (= Federation of Icelandic Energy & Waterworks) about Iceland’s natural water:
Cold water. Comes directly from underground springs. It is pure and refreshing and perfectly suited for drinking. It meets all international standards for pottable water.
Hot water. Geothermal water that comes from deep boreholes has a slight natural smell of sulphur. It’s excellent for bathing and washing. Silver jewellery may tarnish if worn while bathing.”
* Die sagenhaftesten Wolkenformationen, die man sich nur denken kann.
Die kolossale Unbeständigkeit des Wetters; seltener, aber durchaus möglich, auch die völlig unerwartete Beständigkeit.
Die Isländer sagen: Es gibt kein schlechtes Wetter - es gibt nur schlechte Kleidung.
In der Tat war der stürmischste, regnerischste, kälteste Tag während meines Aufenthalts einer der farbigsten, schönsten überhaupt.
* Dann: ... [forty shades of green]... dieses intensive Grün überall, in allen Varianten und Schattierungen – sämtliche Grüntöne dieser Welt, die ganze unglaubliche Palette auf kleinstem Raum, in ständigem Wechsel.
* Landschaften, Farben, Stimmungen, das Licht - sie wechseln im Minutentakt.
Island macht Photoshop überflüssig - Island IST Photoshop.
* Das Meer; die schwarzen Lavastrände; und niemand, der an den Stränden dumm rumliegen würde; man würdigt und respektiert das Meer, man bestaunt es, man spaziert am Meer, aber viel mehr nicht – beinahe so wie zur Winterzeit an den italienischen Stränden.
* Obwohl ich nicht sehr religiös bin, dachte ich ständig: So hatte Gott damals die Welt wohl erschaffen, und bestimmt wollte er wohl auch, dass sie so bleibe.
* Einerseits die prächtigste Natur, der berechtigte Stolz darauf („our nature is our pride“), und im Gegensatz dazu die offenbar völlig autoverrückten Isländer; kaum ein Haus, ein Hof, bei dem nicht mindestens 3 – 4 Autos herumstehen; darunter richtiggehende Boliden: Offroader von wahrlich fantasy-film-mässigen Dimensionen, wie ich sie so noch nie gesehen habe, ja: wie ich sie kaum je für möglich gehalten hätte. Aber überflüssig oder gar lächerlich wirken die hier nicht; eher: unentbehrlich; sehr praktisch; sehr ernsthaft; überlebens-notwendig.
* Ich mit meinem ganz normalen Mietwagen - zweimal kleine Abstecher in leicht unwegsameres Gelände gewagt und prompt in lockerem Geröll steckengeblieben... nur mit Mühe wieder festen Boden unter die Räder bekommen.
* Architektonisch gibt Island nicht viel her, soviel ich gesehen habe; das soll keine negative Wertung sein - eine Feststellung. Vielleicht sogar: eine beruhigende, eine wohltuende Feststellung. Keine FestlandStarArchitektenKultHyperAktivität.
In Reykjavik stehen einige interessante Studienobjekte, und in neueren Stadtteilen wird auffallend modernistisch gebaut; ansonsten herrscht eine wohl nordisch geprägte, relativ einfache Bauweise vor: schnörkellos und sehr zweckdienlich; Beton und Wellblech dominieren – erstaunt war ich, dass beim Kirchenbau wirklich sehr viel Holz verwendet wird.
Markant: die generell grosszügige Verwendung von Farbe an Fassaden und/oder Dächern.
* Die Kirche in Grindavik bestaunt; zunehmende Erheiterung: rundherum ein Kinderspielplatz, an Stelle eines Friedhofs.
* Kleinstfriedhöfe mit manchmal nur ein, zwei Gräbern.
* Eine Schule mit zwei Schülern und zwei Lehrerinnen gesehen.
Eine andere Schule, in ein Hotel integriert, mit 4 Schülern und 5 Vorschulkindern. In der separaten Garderobe in der Hotel-Lobby jedes Kind mit Photo fein säuberlich angeschrieben:
Ég heití Kristin Mattildur.
Ég er fædd 4. Juni 2004.
Mamma min er Halldóra Tómasdottir og Pabbi min er Úlfar Trausti Pórðarson.
* Die [Saving-Iceland] – Bewegung; immerhin eine kleine Ahnung von den Hintergründen mitbekommen.
* Die so gänzlich andersartigen Sommerferien der Jugendlichen – erlebt in Husavik: Lange "Arbeiter"kolonnen von Jungen und Mädchen rücken jeden Morgen aus, mit Schaufeln und Spaten, Rechen und Besen; harte körperliche Arbeit im Dienste der Allgemeinheit – und: alle gehen hin. Sensationell.
* Noch etwas Spezielles aus Husavik: [Das Phallus-Museum.]
Hier eine kleine, hübsche [Photostrecke.]
Die Sammlung umfasst an die 200 Exemplare von Säugetieren (namentlich Wale, Robben und Haustiere). Die Teile werden entweder in Formalin präpariert oder dann so lange gegerbt, bis sie zu Leder werden. Sigurður Hjartarson, Museums-Direktor: "Ich besitze einen sehr schönen Walpenislederschlips, den ich gern zu offiziellen Anlässen trage."
* Sehr erstaunt gewesen über die hohe Zahl italienischer Restaurants in Reykjavik (aber selbstverständlich nicht hingegangen; habe mich v.a. von Skyr, Fisch (mmmh, der himmlische Lachs! doch: kein [hákarl], ooh nein, obwohl es dabei immer sehr lustig zu- und hergehen soll...), Lammfleisch, etwas Gemüse, Brot, Milch und Wasser ernährt; kein Alkohol; kein Käse; keine Schokolade; fast kein Kaffee; keine Teigwaren.
* Hochsommertag in Reykjavik: strahlend blauer Himmel, Sonne pur, Wind (wie immer), geschätzte
14 - 15 Grad Celsius; eine fellinihaft-üppige Dame, in BH und kurzer Hose, geniesst die wärmenden Sonnenstrahlen, draussen, vor ihrem Haus an der Durchgangsstrasse sitzend.
Es wäre ein wunderbares Island-Sommerbild geworden; dennoch den Photoapparat nicht gezückt; es gibt gewisse Grenzen.
Das prächtige Bild - in meinem Kopf.
* Irgendwo in Reykjavik aufgeschnappt: Eat like a man – party like an animal...
Es mag ein Klischee sein - nur dass es, wie ich jetzt weiss, nichts anderes ist als die reine Wahrheit.
* Radio hören ist übrigens ein ziemlich spezielles Erlebnis - man hört hier Musik, wie man sie bei uns nie zu hören bekommt; Island hat eine unerhört reichhaltige Musikkultur, auf die man auch sehr stolz ist: Die Sender spielen sehr viel Einheimisches, weniger den üblichen mainstream. So sind mir jetzt plötzlich Namen geläufig, von denen ich zuvor keine Ahnung hatte: Hraun - Valgeir Sigurdsson - Mongoose - Olafur Arnalds - Mr. Silla - Hjaltalin - Annuals - Sprengjuhollin - Esja - Mugison - Jenny Wilson - Amiina - ...
* Mist - ich werde es in der verbleibenden Zeit kaum in die Westfjorde schaffen. Das Hotel Djúpavík muss nochmals warten.
Doch ich schwöre bei sämtlichen isländischen Elfen: Ich werde nicht ruhen, bis ich meinen Fuss dort über die Schwelle des Eingangs gesetzt habe.
* Und dann das, mitten im Sommer: [Christmas in Iceland] – ganzjährig geöffnet.
Given that the Christmas festivities and preparations begin on the 1st of December and last until the 6th of January, we spend almost 10% of our lives celebrating Christmas. That means nearly 8 years if we reach the age of 80.
* Wie das wohl ist, in Island, ausserhalb der drei klassischen Sommermonate? Möchte ich nur allzu gerne wissen.