Schönheit. 
Sonntag, November 14, 2004, 22:20 - BÜCHER
(...) Dann war da die Affaire mit der Frau des Herrn Professors, die er am Rhein getroffen hatte; sie war hübsch, wenn man sie aus einem bestimmten Blickwinkel und in einem bestimmten Licht betrachtete, aber so kalt und spröde, dass er sie bald fallenliess. Schliesslich gab es da in Berlin, kurz vor seiner Heirat, eine magere, trübselige Frau mit hausbackenem Gesicht, die an jedem Samstagabend zu kommen pflegte und ihm dann ihre gesamte Vergangenheit in allen Einzelheiten berichtete, immer wieder die gleichen gottverdammten Sachen, matt in seinen Umarmungen seufzte und stets mit der einzigen französischen Redewendung endete, die sie kannte: "C' est la vie." Schnitzer, Missgriffe, Enttäuschung; sicher war der Cupido, der ihm zu dienen suchte, ein Linkshänder mit fliehendem Kinn und ohne Phantasie. Und neben diesen blassen Romanzen hatte es hunderte von jungen Frauen gegeben, von denen er geträumt, die er aber niemals kennengelernt hatte; sie waren einfach an ihm vorbeigegangen und hatten ein oder zwei Tage lang jenes hoffnungslose Gefühl hinterlassen, das Schönheit zu dem macht, was sie ist: ein ferner einsamer Baum vor goldenen Himmeln; Lichtkringel an der Innenbeuge einer Brücke; etwas, das sich nicht fangen lässt. (...)
(Vladimir Nabokov: GELÄCHTER IM DUNKEL; Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek bei Hamburg)

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