Hamit. 
Samstag, Mai 20, 2006, 21:35 - BÜCHER
(…) Heimat – ein altmodisches, diskreditiertes Wort.

Heimat, theure Heimat, dir nur allein
Gilt mein Sehnen, all mein Sein:
Theure Heimat mein!

sangen wir in Bautzen. Von heute aus gesehen: Ein bisschen übertrieben, man hat schliesslich noch was anderes zu tun. Auch die Emigranten aller Zeiten mögen so voll Heimat gewesen sein. Aber gesungen haben sie gewiss nicht. Mancher spuckte auf sein Heimatland, aber im Innern wird er auch an die Linde vorm Vaterhaus gedacht haben.
Rostock ist im wahrsten Sinne des Wortes eine „Heimat“-Stadt, sie hat etwas von Heimat an sich, ganz allgemein, wie Göttingen etwa, man kann nicht begreifen, dass es Menschen gibt, die diese Stadt nicht mögen: die alten Kirchen und Tore, die Universität… Die See nicht zu vergessen! – So wenig wie man es versteht, wenn Menschen sagen: „Heimat? Ich bin überall zu Haus.“ Leute ohne eine Bindung an Heimat sind mir verdächtig.
Immer bin ich in Rostock gewesen, auch in den Jahren der Trennung. Ich habe diese Stadt vor und zurück beschrieben, Fotos gesammelt, ja, ich bin sogar so weit gegangen, sie in Papier nachzubauen! Sehnsucht ist gar kein Ausdruck! (…)

Walter Kempowski: HAMIT.
Illustriert mit Fotos aus dem Kempowski-Archiv, Nartum. Der Grossteil der Bilder stammt vom Autor selber.

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