Vom Recht, das Leben heiter zu verlassen. 
Freitag, Dezember 20, 2013, 20:53 - PRESSE
Auf dem Bett liegend, Hand in Hand, wurden sie aufgefunden. Romantische Liebe, ewig vereint, bis in den Tod, die Medien haben in ihren Berichten wiederkehrend dieselben Motive betont. Und hinzugefügt: Das Paar sei erstickt, die Köpfe in Plastiktüten.

Ein altes Paar hat sich Ende November in Paris das Leben genommen: ein Mann, eine Frau, die in nur einer einzigen Ehe Jahrzehnte des Lebens miteinander verbrachten, zwei mündige Staatsbürger der weltlichen Republik, gleich an Rechten, durchaus unabhängig voneinander, gebildet, heiter und elegant. Eine eher bürgerliche als aristokratische Utopie der Moderne, ein französischer Mythos, den auf seine Art auch das linke Paar Beauvoir/Sartre zu verkörpern schien. Als sich der Sozialphilosoph André Gorz und seine Frau Dorine 2007 gemeinsam im hohen Alter das Leben nahmen, lag darin auch ein Moment dieser Utopie. Nicht anders in Michael Hanekes preisgekröntem Film Liebe, in dem sich die lebenslange Liebe zuletzt durch das Töten des geliebten Menschen beweist.

Und nun also das Ehepaar Georgette und Bernard Cazes. Alles an diesen beiden entspricht dem Mythos: sie eine stets stilvoll gekleidete, geistreiche Literaturprofessorin, Schulbuchautorin, Mutter, er ein ehemaliger hoher Staatsbeamter, Offizier der Ehrenlegion, Vater, beide 86 Jahre alt, zusammen seit 60 Jahren, Pariser gebildete Oberschicht. Sie haben dem Tod wie zuvor dem Leben selbstbestimmt die Stirn geboten. (...)

Nach dem Tod der Cazes’ wird nun zweifellos in der Debatte auch eine Rolle spielen, was das Ehepaar in seinem letzten Brief einforderte: das besondere Recht alter Menschen, "das Leben heiter zu verlassen". "Mit welchem Recht", fragt dieser Brief anklagend, zwinge der Staat seine Bürger, die alle Pflichten für das Land erfüllt hätten, zu grausamen Methoden des Selbstmords? Warum dürfe ein Mensch, der genug vom Leben habe, nicht ruhig und selbstbestimmt sterben? (...)

Aus dem Feuilleton der ZEIT Nr. 51 vom 12.12.2013 unter dem Titel: [Komm, schöner Tod] - sehr aufschlussreich auch die anschliessenden Leserkommentare.

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