Obwohl ... 
Montag, Juni 15, 2015, 22:35 - BÜCHER
... Nabokov mehr als fünfzehn Jahre in Berlin lebte, lernte er doch niemals Deutsch - nach Massgabe seiner eigenen hohen Anforderungen an Sprachbeherrschung. "Ich kann nämlich Deutsch eigentlich nur schlecht lesen und sprechen", beschied er den Rigaer Journalisten. Dreissig Jahre später ging er in einem Fernsehinterview für den Bayerischen Rundfunk näher auf diese Frage ein: "Nach meiner Übersiedlung nach Berlin wurde ich von der panischen Angst befallen, ich könnte irgendwie meinen kostbaren russischen Lack ankratzen, wenn ich fliessend Deutsch sprechen lernte. Die Aufgabe, mich sprachlich abzuschotten, wurde erleichtert durch den Umstand, dass ich in einem geschlossenen Emigrantenzirkel von russischen Bekannten verkehrte und ausschliesslich russischsprachige Zeitungen, Zeitschriften und Bücher las. Meine einzigen Abstecher in die Landessprache waren der Austausch von Höflichkeiten mit wechselnden Zimmervermietern und -vermieterinnen und das Alltagserfordernis des Einkaufens: 'Ich möchte etwas Schinken.' Heute bedaure ich meine klägliche Leistung; ich bedaure sie unter dem kulturellen Aspekt."

Mit deutschsprachigen Büchern zur Insektenkunde aber war er seit seiner frühen Jugend vertraut gewesen, und sein erster literarischer Erfolg bestand in einer Übersetzung von Heine-Liedern, die er auf der Krim für eine russische Konzertsängerin anfertigte. Zusammen mit seiner Frau betreute er Übersetzungen seiner eigenen Werke ins Deutsche und traute sich auch zu, in seinen Vorlesungen über Kafkas 'Verwandlung' die englische Fassung von Willa und Edwin Muir zu verbessern.

Aus dem Vorwort von John Updike zu: Vladimir Nabokov - Vorlesungen über westeuropäische Literatur. Rowohlt Verlag GmbH, 1. Auflage November 2014.

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