Doch heute - näh. Bäh. Fortsetzung des heutigen Eintrags von 14:09 Uhr.
Donnerstag, September 16, 2004, 21:49 -
ESSEN & TRINKEN
Auswärts essen heute - meistens habe ich kein bestimmtes Ziel; in Palermo kürzlich, in der Via Principe di Scordia, nachdem ich den kleinen, farbenprächtigen Markt im dortigen Quartier besucht habe, halte ich langsam Ausschau nach einer lukullische Köstlichkeiten versprechenden Örtlichkeit - eine Hostaria ist mir bereits wiederholt aufgefallen, jedoch menschenleer; nach dem vierten Augenschein, kurz vor 13 Uhr, entschliesse ich mich endlich - Hostaria da Mamma Carmela - die Kombination von Hostaria (eine im Verschwinden begriffene Bezeichnung) und Mamma verspricht irgend etwas... schlichtes, eher kleines Lokal, Holztäfelung, die Wände voller Drucke, Fotografien und allerlei Krimskrams, Stofftischtücher... weiterhin kein Mensch weit und breit - ich muss bis ganz nach hinten gehen, wo ich neben einem eingeschalteten Fernsehgerät eine Frau und einen Mann erblicke, welche gerade intensiv mit deftiger Wurst, üppigem Schinken, etwas Brot und einem Glas Wein beschäftigt sind.
-Ob ich etwas essen könne, frage ich.
-Selbstverständlich, murmelt er; ich solle mich nur irgendwo hinsetzen.
Es vergehen bestimmt 10 Minuten, bis sich Mamma Carmela (Fellini hätte seine Freude an ihr gehabt) schlurfend und leicht mürrisch, wie mir scheint, an meinen Tisch bemüht.
-Was ich denn essen möchte.
-Zuerst Teigwaren. Und dann Fisch; ja, Fisch hätte ich sehr gerne.
-Wie ich denn die Teigwaren möchte.
-Mit einem guten Sugo.
-Und den Fisch?
-So wie Sie ihn gerne selber essen würden. Am liebsten einen Branzino. Haben Sie einen?
-Weiss nicht; muss schauen.
Sie entfernt sich in Richtung Küche. Eine Ewigkeit später taucht der Mann mit frischem Brot, Wasser und Weisswein auf. Eine weitere Ewigkeit später sehe ich, wie Mamma Carmela sich in aufreizender Langsamkeit zum Ausgang bewegt und - einfach verschwindet. Weitere Ewigkeiten vergehen, der leichte Weisswein hat mich inzwischen gelassen, ja sogar fröhlich gestimmt... weiss nicht, warum ich fröhlich bin... bis dann Mamma Carmela doch noch endlich und tatsächlich mit einem vollen Einkaufskorb (ich entdecke Tomaten, Auberginen, Käse und Fisch) vom nahe liegenden Markt zurückkehrt. Und nun legt sie los.
Sie kredenzt mir eine Pasta alla Norma (Bellini lässt grüssen), wie sie sonst bestimmt nur Könige und andere Majestäten vorgesetzt bekommen: Teigwaren mit einer Sauce aus Tomaten, Basilikum, gebratenen Auberginen und diesem ganz speziellen, gesalzenen (festen) Ricotta, den es nur hier in Süditalien gibt - absolut himmlisch (inzwischen, muss ich einfügen, hat sich das Lokal halbwegs gefüllt - Italiener allesamt... ich bin am richtigen Ort). Der folgende Branzino, im Ofen auf einfachste Art zubereitet, mundet ebenfalls a-u-s-g-e-z-e-i-c-h-n-e-t. Als ich bezahle (einen in Anbetracht der genossenen Köstlichkeiten - inklusive dolce und caffè - mich beinahe beschämenden Betrag von 20 Euro) ist die Hostaria ziemlich voll...
Am Abend des folgenden Tages bin ich wieder zum Essen da - das strahlende und gleichzeitig durchaus aaaaaaaaaabsolut verständnisvolle Gesicht von Mamma Carmela werde ich nicht so schnell vergessen; ok, strahlend ist vielleicht etwas übertrieben; aber ihr Gesicht hat erstmals eine emotionale Regung gezeigt, welche ich als gerade noch erkennbaren Ansatz zu einem leichten Lächeln interpretierte...
Übrigens, wie es sich für eine richtige italienische Mamma geziemt: 7 Tage offen; kein Ruhetag!