Samstag, September 9, 2006, 00:53 - LEBENSLAUF
(...) Nach dem zweiten Klingeln riss Rick die Tür auf. "Tomas, how are you?", fragte er, als seien wir alte Sandkastenfreunde und hätten uns seit Jahrzehnten nicht mehr gesehen. "Come in." Offensichtlich hatte Sandra mich bereits angekündigt. Rick war Pianospieler in einer Bar im East Village, ein Mann mit milchigem, fast gläsern wirkendem Gesicht, der die Einsamkeit in seinem Blick hinter der Brille nicht verbergen konnte. Wäre er Geschäftsmann, würde er seine Mittagspause sicherlich mit einem Psychiater im Fond eines Autos verbringen - eine populäre Therapieform der New Yorker. In Manhattan sollen mittlerweile 12 000 Psychiater und Therapeuten tätig sein."Magst du Doris Day?", fragte Rick. »Bis gestern schon«, entgegnete ich und konnte nicht glauben, was ich sah: Ricks Wohnung glich einem Doris-Day-Panoptikum. Doris Day zierte Wände, Tassen, Teller und Lampen, stand als lebensgroße Puppe neben dem Flügel. Rick probierte den blauen Peek-&-Cloppenburg-Pullover gleich an und fand, dass er ihm gut stand. "Sandra hat einen ausgefallenen Geschmack. Sie ist so etwas wie eine Mutter für mich." (...)
Textausschnitt: Thomas Neiderberghaus, "DIE ZEIT" Nr. 33/2002.
Foto: a.more.s
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