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Sonntag, September 11, 2005, 09:45 - GEDACHTES
Im Zug.#
Der elvetino railservice-Mann verbreitet Sonnenschein: … „Ich kann Ihne eine Espresso vorschlage, und dazu eine kleine, italienische Panettone: Rieche gut, schmecke gut und mache Sie glücklich! Oder lieber eine Schwizer Bibberli? Eine echte Schwizer Produkt, in unsere Schwizer Eimat ergestellt! Zusamme mit dem italienische Kaffee – beste Kaffee der Welt - Sie werde nicht bereue!“
Ich habe noch nie im Zug jemanden in so kurzer Zeit die railservice-Anonymität abstreifen, so viel Heiterkeit verbreiten und so viel Ware absetzen sehen.
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Die während der Reise in Frauenzeitschriften blätternden Frauen; Quellen für seltsame, verunsichernde Gefühle, Minderwertigkeitskomplexe, weil man ja selten dem entspricht, was da beschrieben und abgebildet wird, und man dem doch irgendwie entsprechen sollte – die Seiten gleichzeitig auch voll mit Verunsicherungs-Bewältigungs-Tipps, welche gierig und dankbar aufgesogen werden – eine clevere Strategie… aber eigentlich, wenn ich es so bedenke, nicht nur auf Frauenzeitschriften beschränkt: Schöner Wohnen, Bravo, Reise-, Lifestyle-Zeitschriften, Werbung allgemein...
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All die Menschen hier im Zug, die ich jetzt gerade sehe - sie werden bald aussteigen, und ich werde sie in meinem Leben mit grösster Wahrscheinlichkeit nie wieder sehen, ihnen nie wieder begegnen. Ein Gedanke, der mir von Zeit zu Zeit immer wieder hochsteigt, seit meiner Kindheit. Und mich immer wieder in Erstaunen versetzt.
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Zugslektüre; mit Handkes „Gestern unterwegs“, in Japan…
-Woran bist du zu erkennen? Daran, dass du stetig vorbereitet bist auf das Erscheinen der Schönheit.
-„Mot-to yuk ku-ri!“ = Langsamer!; und dazu der Sprachführer: „Learn this phrase. It may be more important for you than ‚Good morning’ or ‚Thank you’“.
-Ein Moment der Panik darüber, dass ich in diesem fremden Land keine Angst habe, so gar keine Angst.
-Angesichts der Schönheit – der Muschel jetzt – bildet sich das Herz? formt es sich? nimmt das Herz Gestalt an.
-Morgen werde ich erstmals hier Gesellschaft bekommen – Zettel im Zimmer: „Man will be cleaning outside window of your room between 10 a.m. and 4 p.m.“
Sehr, sehr schön, dieses Buch. Könnte endlos zitieren.
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Blick aus dem Zugsfenster; Ankündigung der Destination: ZUREICH. Und wieder, bei der Rückkehr:
ZUREICH.
Samstag, September 10, 2005, 09:02 - BÜCHER
(...)Trotz meiner alten Vertrautheit mit dem Spaghetti-Kochen fange ich damit immer erst an, wenn die Sauce schon bereit ist und höchstens der Parmesan - er darf nie auf Vorrat hergestellt oder in Säcklein abgefüllt gekauft werden - noch gerieben werden muss. Die Kochzeit ist kurz (ungefähr zehn Minuten), und wenn die Spaghetti wirklich "al dente" sein sollen, muss man früh genug prüfen, ob sie den kritischen Punkt zwischen hart und weich erreicht haben, das heisst, ob sie den Zähnen noch einen kleinen Widerstand entgegensetzen. Wenn es soweit ist, darf man keinen Augenblick mehr zuwarten und muss sie sofort anrichten.Bild: Anna Sommer
Alles Übrige ist einfach: auf hundert Gramm Teigwaren berechnet man einen halben Liter schwach gesalzenes Wasser und pro Person hundert bis hundertfünfzig Gramm Teigwaren, je nachdem, ob die Teigwaren Vor- oder Hauptspeise sind. Wenn das Wasser kocht, legt man die Spaghetti hinein; man braucht nicht, wie oft gesagt wird, dem Wasser etwas Öl beizufügen, weil eine gute Spaghettisorte nicht verklebt. Beim Anrichten sind die Meinungen allerdings geteilt: es gibt Italiener, die das Abtropfsieb als Barbarei verachten und verlangen, dass man die Spaghetti portionenweise mit einer Gabel aus dem Wasser zieht, weil sie auf diese Weise weniger zerdrückt werden. Sie haben natürlich recht; doch wenn man für mehr als zwei Personen Spaghetti kocht, finde ich diese Methode zu zeitraubend und die Gefahr des Erkaltens grösser als diejenige eines leichten Zerdrückens.
Etwas später folgt das beste "Spaghetti-mit-Knoblauch" - Rezept, welches hier nicht verraten sei... sonst kauft niemand dieses wundervolle Büchlein...
Alice Vollenweider: ASCHENBRÖDELS KÜCHE. 2005, Limmat Verlag, Zürich. ISBN 3-85791-485-8
Samstag, September 10, 2005, 08:22 - CAT-EGORY
Dass die Menschen allzusehr in Bewegung sind.Immer wollen sie etwas.
Wozu?
Ich will nichts, sitze viel an einem Ort,
und manchmal gehe ich
gemächlich spazieren.
Text aus: Der literarische Katzenkalender 2005. Schöffling und Co.
Bild aus: Pinuccia Ferrari: Gattoterapia. 2004, Adriano Salani Editore s.r.l., Milano. ISBN 88-8451-422-3
Samstag, September 10, 2005, 08:11 - BÜCHER
Was machen jetzt all die Insekten? Ob die sich unter die parkenden Autos setzen und warten, bis alles vorbei ist? denkt sich der Sommerverächter, als er aufgrund eines Wolkenbruches das Zimmerfenster schliesst, was ihm gut passt, denn so hört er nicht das Gekreisch der halbnackten Menschen auf den Nachbarbalkonen, die Bier und Gebäck in Sicherheit bringen. Während er so nur angenehmes Prasseln und Platschen vernimmt, fällt sein Blick noch einmal auf die Postkarte, die ihm seine Freundin aus ihrem Urlaubsort aus dem hohen Norden zugeschickt hat. Er beschliesst, mit einem kleinen Brief zu antworten, setzt sich auf seinen Balans-Stuhl und schreibt: „Meine Liebe! Ich hätte jetzt gern einen Mantel an. Am liebsten den beigen Dufflecoat, den wir in Shetland gekauft haben, der mit den grossen Taschen, in die das Telefonbuch einer kleinen Grossstadt und noch mehr reinpasst. In der Welttemperaturtabelle der Neuen Zürcher Zeitung habe ich gelesen, dass es in Reykjavik nur sieben Grad hat. Wie ich dich beneide! Ich habe mir heute ein elektronisches Thermometer gekauft, mit Zehntelgradanzeige. Zwischen 18.00 und 23.30 (jetzt) ist die Temperatur in der Wohnung nur von 27,4° auf 27,2° zurückgegangen. Wenigstens regnet es. Weißt du eigentlich, was die Mücken bei Regen machen? Ich meine, wenn eine Mücke von einem dieser riesigen Regentropfen getroffen wird, müsste sie doch eine Gehirnerschütterung bekommen. (Macht die Hitze mich nicht geckenhaft reden?) Alles Liebe, bis zum Herbst, dein Sommerverächter.“Abb.: Felix Valloton, Selbstbildnis.
Er geht zum Kleiderschrank, holt seinen Dufflecoat heraus, nimmt ihn in den Arm, ja: er umarmt seinen Mantel, der ein wenig muffig riecht und längst mal wieder ins Freie müsste. Er zieht den Mantel an, stellt sich vor den Spiegel, erschrickt wie immer ein wenig über sein rotes Schweissantlitz und denkt ‚Am besten seh ich aus, wenn ich ein wenig friere. Auch frierende Frauen sind hübscher. Habe ich nicht einmal zwei frierende junge Spanierinnen mit gelben Rucksäcken fotografiert?’ Der Kasten mit den Fotos seiner vielen Nordlandreisen müsste im Buchregal stehen. Der Sommerverächter geht hin und ihm fällt ein zerlesener kleiner Band in die Hand. Adalbert Stifters berühmte Schilderung eines Schneesturms im Bayerischen Wald. Er steckt ihn sich in die Manteltasche; vielleicht wird er sie heute noch einmal lesen. Herrlich, was alles in den Mantel hineinpasst! Alles: Geldbörse, Zigaretten, Einkaufsbeutel, Notizbuch und Lektüre für den Bus. Wohin damit im Sommer, zur mantellosen Zeit? (...)
Max Goldt: Der Sommerverächter. Delius + Company, literacard Nr. 11. ISBN 3-931870-10-3
Mittwoch, September 7, 2005, 23:21 - BÜCHER
(...) Das kongenial auf o verknappte Jandl-Gedicht «ottos mops» kommt in einer Übersetzung von Francisco Díaz Solars fast episch daher: «otto y el buldog toto». Wenn Ottos Mops bloss kotzt bei Jandl, geht's dem Spanier ans Schuhwerk: «toto vomita el zapato». International ist Ernst Jandl noch zu lancieren. Sonst aber scheint Österreichs vor fünf Jahren verstorbener Dichter längst in der Gnade der Klassik. Dass ihn das Österreichische Literaturarchiv zum 80. Geburtstag mit einem eigenen Aufsatzband würdigt, ist mehr als billig. Das Archiv kann aus dem Vollen schöpfen. Der Nachlass Ernst Jandls immerhin ist in seinen Händen. (...)Paul Jandl, NZZ Nr. 202, 31.08.2005
Ernst Jandl. Musik Rhythmus Radikale Dichtung. Zsolnay, Wien 2005.
Mittwoch, September 7, 2005, 17:16 - INNENANSICHTEN
"Am liebsten sind mir mein Hi-Fi-, Kino-und Musikstudio. Das ist meine Unterhaltung." (Ökonom, 50).Das Magazin, Nr. 5/2001, Sonderheft "Wie wir wohnen."
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