Muss jetzt endlich mal gesagt werden.
Sonntag, Februar 13, 2005, 11:56 -
GLÜCK
Ich liebte die Kolumnen von Doris Knecht im TAM!!! Und auch wenn sie dort nun leider nicht mehr schreibt: Wenigstens hat sie im TA noch eine kleine Ecke zugesprochen erhalten (ich vermute, die Proteste nach dem etwas fadenscheinig von TA-Seite verkündeten Abgang waren durchschlagend). Dort geht es munter weiter - wie gestern:
Wie man so richtig glücklich ist. "Die Schweizer starren mich an. Eindeutig starren mich die Schweizer an, als ich quer durchs LaSalle unseren Tisch anstöckle. Es muss was mit meinen Schuhen sein, oder mein Lippenstift ist übers Gesicht geschmiert. Lucy, ist mein Lippenstift verschmiert? Lucy schaut forschend in mein Gesicht, wobei mir wieder bewusst wird, dass es sich bei Lucy um einen zwei Meter grossen Transvestiten in einem rückenfreien Kleid auf Zwölf-Zentimeter-Stilettos handelt; mit meinem Lippenstift ist vermutlich alles in Ordnung. Alles in Ordnung, Darling, sagt Lucy. Merci, Cherie, sag ich. Ich brauch sofort eine Queen Mum, sagt Lucy. Was ist das, sag ich.
Alle Menschen am Tisch sind Freunde, der Lüster über uns strahlt unsere Gesichter weich, es ist schön, ich bin glücklich. Ich bin glücklich, sagt der Schurlivater Horvath, als er bei uns auf der Küchenbank sitzt und der Lange ihm Risotto auf den Teller klatscht. Aber dein Glas ist leer, sage ich. Ich bin trotzdem glücklich, sagt Horvath. Ich bin es auch. Ein Essen mit Freunden und Kindern und Wein, wenn das Licht in den Gläsern glitzert und der Tisch sich biegt: Das macht uns froh. Also, bis die Kinder anfangen, das Risotto zu schmähen, weil was Grünes drin ist, und die Gläser umschmeissen und die Eltern deswegen brüllen. Aber die paar Minuten davor sind perfekt.
Anna mailt, ob was mit ihr nicht stimme, sie werde ständig von glücklichen Eltern und glücklich werdenden Eltern und glücklichen, zur Elternwerdung entschlossenen Paaren konfrontiert, überall stünden auf den Partys diese glücklichen Menschen herum und parlierten glücklich über ihr Glück, und sie habe keinerlei Kinderwunsch und sei trotzdem nicht unglücklich, ganz im Gegenteil. Ob sie das denn sozusagen dürfe? Sie habe ja früher mal einen kinderwunschwürdigen Mann gehabt, aber dieser Mann sei lange weg und der Kinderwunsch mit ihm, und der Wunsch sei nicht wiedergekommen, sie vermisse ihn kein bisschen und fühle sich deswegen nun ein wenig unbehaglich, und ob ich "Am Hang" nun endlich gelesen habe. Ich maile zurück, ob sie total bescheuert ist, wie alt bist du nochmal? 31? Keine gesunde Frau braucht mit 31 einen Kinderwunsch, und ohne einen partizipationsgeilen Mann dazu sowieso nicht, und überhaupt braucht man zum Glücklichsein nicht zwingend Kinder, lass dir das bloss nicht einreden, und den "Hang" habe ich gelesen.
Aber nicht, wie geplant in Zürich, denn in Zürich hatte ich zum Lesen keine Minute Zeit, ein Abend bei Pauline und Freunden, ein Abend bei Judith und Freunden, und dann noch der Abend im LaSalle, ich hab den "Hang" also erst gelesen, wie ich wieder in Wien und wegen Zürich bettlägerig war.
Zürich zeigte wieder mal, maile ich Anna, dass die Frage, wofür man überhaupt eine Familie braucht, wenn man solche Freunde hat, total berechtigt ist, und, das maile ich Anna nicht, ich Gebenedeite unter den Gebenedeiten habe sogar beides. Plus eine Queen Mum. Das ist, Lucy hats erfunden, ein Gin Tonic mit Gurkenscheibe, und ihr, werte Barkeeper, merkt euch das bitte, denn wenn Lucy mal reinschneit: Das würde sie glücklich machen."
Doris Knecht, TA vom 12.02.2005