Donnerstag, Oktober 20, 2005, 23:34 - GEDACHTES
Hier steht ja weiss Gott nicht viel über "Politik". Das hat seine ganz bestimmten Gründe, über die ich mich an anderer Stelle bereits geäussert habe.Doch nun ist es wieder einmal so weit. Aus aktuellem Anlass: ein realpolitisches Kabinettstücklein sondergleichen, eine wahre Perle - und die Perlen sollte man doch wenigstens einem breiteren Publikum nicht vorenthalten, nicht wahr?
Herrn Mario Annoni, einem überaus glück- und erfolglosen FDP-Regierungsrat, welcher v.a. in den letzten sieben Jahren strukturelle Krisen nachweislich zu spät erkannt und darauf erst noch mit absolut unerschütterlicher Beharrlichkeit falsch reagiert hat (entstanden ist mit der Zeit eine von seinem Namen abgeleitete, vielsagende Wortschöpfung: annonieren = "zur falschen Zeit am falschen Ort das Falsche tun“, mit schönem Dank an die Berner Gazette, das wieder in Erinnerung gerufen zu haben), einem Mann notabene, der einen bildungspolitischen Scherbenhaufen par excellence hinterlässt, wird vom Schweizerischen Gesamtbundesrat auf Antrag der FDP-Entourage (Original-Flötentöne: „Modellschweizer, prädestiniert, Vermittlerqualitäten, dreisprachig, kompetent“) unter dem Beifall von allen Parteien inkl. SP zum Abschluss seiner Karriere und unter Verdankung seiner hervorragenden Verdienste ein sehr bedeutungsvoller, gut bezahlter Posten (das Direktorium der Schweizerischen Kulturstiftung "Pro Helvetia") zugeschanzt.
Bedeutungsvoll u.a. deshalb, weil die Kulturstiftung vor tiefgreifenden Reformen steht und Krisen folglich quasi vorprogrammiert sind.
Einzig die CVP ringt sich nach ihrem Lob („keine schlechte Wahl“) noch die leise Bemerkung ab, dass „die Kritik der Vetternwirtschaft nicht vollständig von der Hand zu weisen“ sei… aber Schwamm drüber.
So läuft das.
Das überdeutlich zu erkennende Prinzip heisst: WIR lassen euch gewähren; aber wenn WIR dann später auch jemanden nach UNSEREM Geschmack portieren, dann erwarten WIR, dass IHR UNSEREM Kandidaten ebenfalls vorbehaltlos applaudiert – und ihn wählt.
Und genau so geschieht das dann auch - beim nächsten Mal.
Ist das nicht einfach grossartig?
Und ganz besonders grossartig finde ich die weit verbreitete, schulterzuckende Akzeptanz solcher Vorgänge, wie sie z.B. Reto Wissmann im Kommentarteil auf der Frontseite des heutigen BUND äussert: Den einen mag das vielleicht nach Vetternwirtschaft tönen, doch die Verteilung von Pfründen ist nun halt mal in allen Parteien gang und gäbe.
Und einmal an der Macht, gerät auch die politische Linke, in die ich all meine Hoffnungen gesetzt hatte, damals, der wir mit all unseren Sympathien den Weg nach oben ebneten, nun ebenfalls in genau dieses vermaledeite Räderwerk, wie wir heute konsterniert feststellen müssen - wobei gerade das Durchbrechen der verhassten bürgerlichen Vetternwirtschaft, der Aufbruch in eine bessere, gerechtere Politik, etc, blablabla, einer der Haupt-Ansatzpunkte unserer Motivation war, damals.
Na dankeschön dann. Ohne mich.
Vetternwirtschaft ist Vetternwirtschaft. Egal ob Rechts, in der Mitte oder Links, ob am Arbeitsort oder im persönlichen Umfeld. Vetternwirtschaft ist eine erbärmliche Seuche, jedoch eine, die mehrheitlich und quer durch alle Gesellschaftsschichten geduldet, ja mit bisweilen genussvoll-unerschütterlichem Enthusiasmus gepflegt wird - unausrottbar auch, weil in der Ferne unermüdlich und stets von Neuem die ach so verlockenden kleineren oder grösseren persönlichen Vorteile verführerisch winken, an die auf andere Art offenbar einfach nicht heranzukommen ist.
So jemand soll bitte ja nicht an meiner Türe klingeln oder sich gar an meinen Tisch setzen. Denn bei mir endet die Seuche tödlich. Habe erst kürzlich wieder meinen grossen, düster-gruseligen Keller in einer Nacht-und-Nebel-Aktion von all den dort versteckten Leichen befreien müssen. Der Gestank war trotz der sorgfältigen Verpackung unerträglich.
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