La vie est absurde - oder: Folklore à la Nokia.
Samstag, März 22, 2008, 16:29 -
PRESSEBeitrag von sb_admin
Herrliches Interview in der ZEIT Nr. 10 vom 28.02.2008 über Lebenslügen und das wahre Leben.
Ausschnitte:
*DIE ZEIT: Herr Schmidt, sind Sie ein politischer Mensch?
Harald Schmidt: Ja. Ich dachte eine Zeit lang, ich wäre es nicht. Aber schon als Vater habe ich Interesse daran, dass es in Zukunft weitergeht. Wenn ich daran denke, dass ver.di streiken will und bei mir der Müll nicht abgeholt wird, muss ich sagen: Ich bin ein großer Freund von funktionierender Verwaltung. Sie ist die Grundvoraussetzung dafür, dass man sich nicht so schnell den Schädel einschlägt.
*ZEIT: Als Nach-68er sind Sie in einer sehr politisierten Zeit aufgewachsen.
Schmidt: In Nürtingen kamen die 68er mit zehn Jahren Verspätung an. Zu der Zeit war ich Black-Panther-Anhänger und Kriegsdienstverweigerer. Man war irgendwie links, man schwamm mit, war gegen das Kapital, irgendwie für Nicaragua, aber eigentlich ohne Ahnung. Das war Folklore.
*ZEIT: Das ist eine Entwicklung, auf die viele damit reagieren, wieder linker zu sein. Sie nicht?
Schmidt: Ich war ja nie ein echter Linker. Meine Entwicklung ist unmittelbar an die von Rezzo Schlauch gekoppelt. Ich bin nicht so dick, aber es läuft nach demselben Muster: Erst stellt man fest, dass der erste linke Chef aus dem Ort plötzlich einen Mercedes hat. Dann hat der nächste Linke eine tolle Wohnung. Irgendwann sagt man: Ich war schon immer für Luxus für alle. Und dann geht es direkt in einen Salonkommunismus über. Bitter ist es für die Klassenkameraden, die die Verwandlung in Rezzo Schlauch nicht geschafft haben.
*ZEIT: Wählen aus Respekt vor der Demokratie.
Schmidt: Genau. Aber es ändert sich nichts. Was können Sie mit einer Wahl entscheiden? Helmut Schmidt wurde erst »der Helmut Schmidt«, als er vom Tagesgeschäft befreit war. Ähnlich wie Richard von Weizsäcker. Wenn Sie eine Partei bedienen müssen, was können Sie denn an großer Weichenstellung vornehmen? Was wurde alles für die Agenda 2010 in Kauf genommen, was hat man für Wahlen deswegen verloren? Jetzt: Rums, Schluss! Von Steinbrück habe ich in zwei Talkshows gehört: Sie können nicht an einem Konzept festhalten, wenn dabei die Partei vor die Hunde geht – nahezu wörtlich! Also läuft jetzt die Nummer: Geld! Kindergeld erhöhen, Hartz IV verlängern. Außerdem gibt es alle halbe Jahre Folklore à la Nokia.
*Schmidt: Meine Kinder brauchen keine Polkappen. Klimaveränderung gab es schon immer! Man kann als einigermaßen aufgeweckter Mensch doch nicht glauben, man hätte Einfluss darauf. Um mich mal bei einem Großteil der Leser ganz beliebt zu machen: Wenn Sie sich mit Umwelt beschäftigen, haben Sie wirklich zu viel Freizeit.
ZEIT: Sind Sie konservativ?
Schmidt: Ja. Mittlerweile gefalle ich mir auch in einer reaktionären Attitüde. Bei Nicolás Gómez Dávila habe ich gelesen: Terrorismus entsteht überall dort, wo den Unterdrückten keine Unterdrücker gegenüberstehen. Das ist ein toller Satz. Er drückt den Wunsch nach Kirche und, jenseits des Klerus, nach Aristokratie aus.
ZEIT: Basisekel, aber gleichzeitig Bekenntnis zur Demokratie, wie passt das zusammen?
Schmidt: Das können Sie zurückverfolgen bis zur Bibel. Man will, dass das Leben friedlich und zivil abläuft. Also muss man ein politisches System konstruieren, das nicht auf eine hohe moralische Einsicht setzt, sondern so gebaut ist, dass moralisch Gefährdete nicht umfallen können.
*Schmidt: Die Unterscheidung in konservativ und nicht mache ich schon lange nicht mehr. Wenn ich gewählt werden müsste, würde ich nicht sagen, ich bin konservativ. Das wird übersetzt mit »altmodisch« und »kein Geld für die Armen geben«. Man erfindet deshalb Ausdrücke wie wertkonservativ. Was bei uns als bürgerlich gilt, ist in Wahrheit verkleinbürgerlichtes Proletariat. Ich zum Beispiel!
ZEIT: Das heißt, das Konservative gibt es eigentlich gar nicht, das ist mehr eine Attitüde?
Schmidt: Nach meiner Vorstellung führen Sie, wenn Sie konservativ sind, ein klassisches Familienleben und gehen sonntags in die Kirche.
ZEIT: Was Sie tun?
Schmidt: Was ich nicht tue! Ich habe es nur gern ruhig. Ich habe gern morgens Brötchen vom Bäcker und dass die Zeitung kommt. Ich halte es nicht für ein Zeichen von mediterraner Lebensfreude, wenn der Zug einfach nicht kommt.
*Schmidt: ... Dann lieber ein Papst mit 14 Kindern wie in der Renaissance! Nur so entsteht Kultur!
Hier
[der vollständige Text.]