Dienstag, Dezember 14, 2004, 18:19 - CAT-EGORY
Animiert mich dazu, dieses nachstehend aufgeführte Fundstück jetzt gleich aufzubereiten - hat ja immerhin auch etwas mit Paris zu tun...(...) "Die Qualen, die zwei alte Menschen sich im engen bürgerlichen Zusammenleben bereiten können, hat Georges Simenon dargestellt, eingetaucht in die seinem Schreiben eigentümliche schwerfällige Melancholie: In LE CHAT (1967). Ihr Ursprung ist die Ermordung einer Katze. Der Zufall der Nachbarschaft hat zwei Personen zu einer späten zweiten Ehe zusammengeführt, deren sozialer Hintergrund so verschieden ist wie ihre Interessen. Emile, aus dessen Perspektive erzählt wird, ist ein einfacher, gutmütiger Mensch, pensionierter Arbeiter beim Pariser Strassenbau, von proletarischer Herkunft, die seine Sprache und Manieren prägt, liebt Bistrots und belebte Strassen; Marguerite, fixiert auf ihre Vergangenheit als Tochter aus einstmals vermögendem Haus, pedantisch, bigott, strickt und liest sentimentale Romane. Der Konflikt konkretisiert sich in der von Emile eingebrachten Katze, dem Findling mit dem frommen Namen Joseph, der für seinen Herrn fast die Anhänglichkeit eines Hundes entwickelt hat. Marguerite kann ihn ebensowenig ertragen wie Joseph und Emile ihren Papagei mit seinen schillernden Federn und schrillen Schreien. Sie benutzt eine Krankheit des Gatten, um Joseph zu vergiften. Unvergesslich die Szene aus dem Film (mit Jean Gabin und Simone Signoret), wo der verzweifelte kranke Emile in den Strassen nach dem Freund sucht. Seine Rache: Er reisst dem Papagei die Schwanzfedern aus, im halben Bewusstsein, damit die verhasste Herkunftsfamilie der Frau zu treffen. Die Ehe wird zum toten Leben. Die Gatten sprechen nicht mehr miteinander, sondern werfen sich bedrohliche Zettel zu: LE CHAT / LE PERROQUET. Sie sitzen stumm im Salon, wo der ausgestopfte Papagei prangt. Dieses Leben in Feindschaft wird zum psychischen Gefängnis, dem sie nicht entrinnen können. Als Emile auszubrechen versucht und zu einer munteren Bistrotwirtin zieht, demütigt sich die Gattin, bis er heimkehrt, aber ohne Versöhnung. Gepeinigt vom Lärm einer Baustelle, wo die einst ihrer Familie gehörigen Häuser einem Wohnblock weichen, erliegt sie stumm einem Herzversagen. Emile überlebt den Schock, aber nur äusserlich: "Il n'était plus rien." (...)
Le chat: Standbild mit Jean Gabin; Film von Pierre Granier-Deferre, nach dem gleichnamigen Roman von Georges Simenon; 1971.
Textauszug: Renate Böschenstein "Katze und Verbrechen" - zur Funktion von Katzen in Kriminalgeschichten.
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