Sonntag, Mai 15, 2005, 08:05 - SONSTIGES
Gestern wieder einmal einige Zeit in einem Warteraum verbracht.Ich habe noch nie darüber nachgedacht, aber eigentlich mag ich Warteräume - im Bahnhof, beim Arzt, in der Abflughalle...
Dieses manchmal endlos scheinende Warten, die relative Stille, die Ruhe, die Langeweile, das Nichts - gefolgt von etwas, von dem man zwar weiss, dass es kommt, aber wie dann das genau aussieht - das steht in den Sternen. Ein Kulturschock. Eine Diagnose. Eine Begegnung. Kann das Leben total verändern - oder wenigstens ein bisschen - oder auch nicht. Eigentümliche Faszination.
Gestern nun hat mich die Warterei zufälligerweise zu Heideggers sehr schöner Schilderung der Langeweile geführt: Hing an der Wand in besagtem Warteraum...
"Wir sitzen z. B. auf einem geschmacklosen Bahnhof einer verlorenen Kleinbahn. Der nächste Zug kommt erst in vier Stunden. Die Gegend ist reizlos. Wir haben zwar ein Buch im Rucksack - also lesen? Nein. Oder eine Frage, ein Problem durchdenken? Es geht nicht. Wir lesen die Fahrpläne oder studieren das Verzeichnis der verschiedenen Entfernungen dieser Station zu andern Orten, die uns gar nicht weiter bekannt sind. Wir sehen auf die Uhr - gerade erst eine Viertelstunde vorbei. Also hinaus auf die Landstrasse. Wir laufen hin und her, nur um etwas zu treiben. Aber es hilft nichts. Nun zählen wir die Bäume auf der Landstrasse, sehen wieder auf die Uhr - gerade fünf Minuten, seit wir sie befragten. Des Hin- und Hergehens überdrüssig, setzen wir uns auf einen Stein, zeichnen allerlei Figuren in den Sand und ertappen uns dabei, dass wir schon wieder nach der Uhr gesehen haben - eine halbe Stunde..."
Irgendwie passend:
Island of waiting.
sb_read_entry_btn
| Permalink