Mittwoch, August 10, 2005, 23:02 -
BÜCHER
... bin ich gross, in nichts sonst; und für wen gilt etwas anderes?
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Ein Kind zum andern: "Und was kannst du?" Das andere KInd: "Ich kann gar nichts." (Begeistert:) "Ich kann überhaupt nichts!"
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Diese Frau da: "So selbstgewiss wie reizlos." - Und jene dort: "Ihr fehlt etwas, und dadurch wirkt sie schön."
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Seltsam, dass mir gerade bei manchem, das sich nicht erfüllt hat, warm ums Herz wird (1. Aug. 1988).
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"On ne pleure pas dans la forêt!", Mutter zum schreienden Kind, im Forêt des Fausses Reposes, Versailles, 27. Juli.
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Bei deiner Rückkehr nach einem langen Unterwegssein werden alle zu dir sagen: "Wie hast du dich verändert!", und auf der Stelle wirst du wieder sein wie eh und je.
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Heute habe ich zum ersten Mal seit langem, in einer Stufengasse von Perugia, wieder die Leere erblickt (ja), und das war Schönheit.
Banales und Grossartiges, Wichtiges und Alltägliches, Winziges, gemeinhin Nebensächliches oder Unbedeutendes - Peter Handke wertet bzw. unterscheidet in seinem "Skizzenbuch" nicht, er hält lediglich fragmentarisch fest, was ihm aufzeichnenswert, was ihm von Bedeutung scheint, in überwiegend kurzen und kürzesten Texten - auf weit über 500 faszinierenden Seiten voller Ansichten und Einsichten, die permanente Glücksgefühle aufkommen lassen.
Ein Glücksfall sowieso, dieses Buch, von einem, der mich bisher doch häufiger etwas ratlos zurückgelassen hat.
Für mich nicht zuletzt auch deshalb ein Glücksfall, weil der Augenblicksdenker ["Der Augenblicksdenker": nur das bin ich] das Politische, die grossen Veränderungen in Europa zu dieser Zeit, in seinen Notaten völlig ignoriert, was einigen Rezensenten offenbar nicht gut bekommt...
Peter Handke: GESTERN UNTERWEGS. Aufzeichnungen November 1987 bis Juli 1990.
Jung und Jung, Salzburg und Wien, 2005. ISBN 3-902144-99-8