Weitermachen. Immer weitermachen. 
Sonntag, Juli 29, 2007, 09:55 - PRESSE
Herr Kempowski, Sie haben ein deutsches Leben hinter sich.
Hinter mir, ja.

Ein deutsches Leben heisst in Ihrem Fall: Krieg, Gefängnis, Aufarbeitung. Was bleibt?
Unendlich viel Reiches und Schönes und Grauenhaftes.

Und woran denken Sie in Ihren letzten Wochen im Besonderen?
An meine wunderbare Kindheit. Mein Vater war Monarchist, und meine Mutter war überzeugte Christin, eine sonderbare Mischung. Mein Vater hatte in seinem Uniformmantel links die christlichen Losungen, die ihm Mutter mitgegeben hatte, und rechts das Klopapier. Freundliche Eltern, ohne Gewalttätigkeiten. So wuchs man auf, nicht im Wohlstand, aber wohlsituiert.

Und jetzt, wo’s zu Ende geht, beschäftigen Sie sich mit dem Tod?
Och, ich hoffe beim Aufwachen nur, dass ich heute keine Schmerzen habe. Mit dem Ende als solchem habe ich kein Problem. Gut, mich interessiert schon, was passiert, wenn die Klappe eines Tages fällt.

Sie hatten 1991 einen Hirnschlag.
Ja, da habe ich erlebt, was es für ein Glücksgefühl ist, wenn man zur Seite sackt. «Gott sei Dank, jetzt ist alles vorbei», dachte ich damals. So, hoffe ich, wird es jetzt auch sein.

Wie wollen Sie sterben?
So wie Fontane. Der sagte zu seiner Tochter beim Essen: «Ich geh eben mal nach nebenan.» Als sie nach einer Viertelstunde guckte, liegt er tot auf dem Bett. Wird mir wohl nicht vergönnt sein.

Ausschnitte aus der Weltwoche Nr. 30/26.Juli 2007: "Reiches, Schönes, Grauenhaftes" - Peer Teuwsen im Gespräch mit Walter Kempowski.
Das Kino und sein Ort. 
Samstag, Juli 28, 2007, 22:06 - PRESSE
Nach den Cahiers du Cinéma eine weitere hochkarätige Würdigung zum Sechzigsten des Filmfestivals von Locarno. Das Kino und sein Ort - sehr, sehr schöner Titel.
DU, August 2007.

"Sein Ort"... vor der Piazza Grande war das 1948 - 1970 der Park des Grand Hotel Locarno.


27.07.2007 
Samstag, Juli 28, 2007, 21:25 - MUSIK
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Dann, zum Abschluss des Abends - für den ich mein Ticket unbedingt benötigte,
denn
dieses Glück hatte ich heute nicht - kurz und heftig:
Lutoslawski, variations on a theme by Paganini for two pianos.

Martha Argerich und Gabriela Montero; furiose 4 Minuten.

Als Zugabe improvisiert Gabriela auf einen Zuruf aus dem Publikum hin
das Happy-Birthday-Thema, dass der Steinway nur so hüpft vor Freude.
Martha sitzt aufmerksam-neugierig daneben und ist sichtlich stolz auf das, was ihr Schützling daraus macht. Nach ihrer Einschätzung gibt es zur Zeit kein größeres Genie am Klavier als Gabriela Montero.

Den tosenden Applaus will Gabriela teilen, Martha jedoch nicht. Das geht dann schliesslich sogar so weit, dass Martha richtiggehend flüchtet: Der Applaus soll Gabriela gehören – sie selber hatte schon so oft und so viel davon…

Kann man bald hier sehen - aber erst ganz am Schluss...
Schöner Tag. 
Mittwoch, Juli 25, 2007, 15:25 - BÜCHER
Der Tag sieht aus,
als liesse sich heute
weiterkommen.
Man schluckt ein Trinkei,
schnappt Luft.
Geradeaus geht man
auf eine Wolke zu.
Die Spieldose summt im Kopf.
Das lässt sich hören.
Spazieren im Licht
macht Spass.
Mit angewinkelten Armen
hat man seinen Auftritt
vor einer Wiese
mit schönen Blumen.
Schon gestern war
so ein schöner Tag.

[Karl Krolow: Alltägliche Gedichte. Bibliothek Suhrkamp.]
Momentaufnahme. 
Mittwoch, Juli 25, 2007, 15:22 - PARIS
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Blick vom Eiffelturm.
Some other things - so beautiful too... 
Dienstag, Juli 24, 2007, 07:27 - MUSIK
Lily Allen - NAIVE.
Akkordkaskaden. Etwa so. 
Montag, Juli 23, 2007, 22:34 - MUSIK


Sie spielt ohne Pause, fragt zwischendurch nach der Uhrzeit, aber eigentlich sagt sie:
"I could do this all night".


Hommage. 
Montag, Juli 23, 2007, 18:59 - MUSIK
Beitrag von sb_admin
Die Kirche – menschenleer. Ganz hinten der riesige schwarze Flügel. Darauf wird sie spielen – in etwa acht Stunden. Vorher kommt sie betimmt noch vorbei, zum Üben. Das macht man einfach so. Das machen alle hier. Die Frage ist nur wann. Egal. Ich lege die mitgebrachte Rose auf den Flügel. Rot auf Schwarz – wunderbar. Zu meinem Erstaunen ist der Deckel nicht abgeschlossen. Ich öffne ihn schon mal vorsorglich und sehr, sehr ehrfürchtig; das ist alles, was ich für sie tun kann. Und tun will.

Die Wartezeit vertreibe ich mir mit einem Petite Arvine, mit Lesen und Schreiben, mit noch einem Arvine, mit einem Besuch der master class, mit kleinen Spaziergängen, wobei ich es so einrichte, dass ich stets und regelmässig bei der Kirche vorbeikomme. Dort gehen v.a. Techniker ein und aus, jemand stimmt den Flügel, an welchem es eigentlich nichts mehr zu stimmen gibt, an der Beleuchtung wird gefeilt, Tonproben werden gemacht – das Übliche eben.

Ich mache es mir schliesslich auf einem der Holzbänke vor der Kirche gemütlich - die Sonne brennt, der Arvine wirkt, langsam sinkt mein Buch immer tiefer, ich nicke doch tatsächlich ganz leicht ein - und werde irgendwann von gewaltigen Akkordkaskaden geweckt.
Kurz nach drei Uhr nachmittags, ungefähr.
Das muss sie sein.
Das ist sie.
In der zweitvordersten Reihe, rechts von ihr, richte ich mich ein und lausche gebannt. Sie spielt und spielt und spielt, selbstvergessen, versunken in die Musik, ohne Notenblätter, ohne pathetisches Gehabe, sie spielt einfach; mehr als zweieinhalb magische Stunden werden es am Schluss sein.

Herrlichste Musik. Wahnsinn.

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Sie unterbricht kaum – zwei-, dreimal, wegen dem Licht, welches störende Schatten auf die Tastatur wirft; ihre melancholische Stimme tönt sehr angenehm, warm, sie lächelt selten, doch wenn sie es tut, ist es immer ausserordentlich herzlich.

Es hat ausser mir praktisch keine Zuhörer; die Handvoll Licht- und Tontechniker, welche sich aber v.a. auf ihre Messgeräte konzentrieren; einige wenige Passanten manchmal, die neugierig hereinkommen, ein bisschen verweilen und wieder gehen.

Ich wage es, einige Aufnahmen zu machen, ohne Blitzlicht - ich hasse Blitzlichtaufnahmen; nur im Notfall. Und dies hier ist kein Notfall. Dass ich fotografiere, wird sie, versunken in die Musik, wohl nicht registrieren, und falls doch, dann empfindet sie es offensichtlich nicht als störend.

Kurz vor halb sechs Uhr verlasse ich leise und wie in Trance die Kirche – bald ist Essenszeit, sie wird ihr Spiel wohl gleich abbrechen und sich noch eine Pause vor dem Konzert gönnen.

Ich beschliesse spontan, das Konzert von heute Abend nicht zu besuchen – mehr kann ein Mensch nicht bekommen als das, was ich eben erhalten habe; grandiose, ungezwungene Fingerübungen, ein Konzert nur für mich allein. Ein Geschenk. Ich habe sie erlebt, wie das grosse Publikum von heute Abend sie nicht erleben wird: Ungeschminkt (im doppelten Sinn), in Alltagskleidern, mit ungebändigter Frisur, unbändig nach Lust und Laune drauflos spielend.

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Kaum im Auto, das Dorf bereits hinter mir, bin ich hin- und hergerissen: Da hast du ein Ticket und willst das Konzert, auf das du dich so gefreut hast, das in kaum zwei Stunden beginnt, einfach fallen lassen?! Ich wende den Mietwagen und fahre wieder zurück. Da – rechts, auf dem Trottoir, sie – hat ihre Übungen tatsächlich abgebrochen und läuft ganz alleine von der Kirche hinunter ins Dorf; kein Chauffeur, der sie abholt, wie man das vielleicht annehmen würde; und nicht oben im teuersten 5-Sterne-Hotel logierend, wie man das…

Ja, ich "brauche" das Konzert nicht und nehme endgültig Kurs auf Bern.
Manchmal muss man weniger müssen, als man meint.

Die Rose übrigens: verbier juli 2007
Die lag die ganze Zeit auf der vordersten Kirchenbank, auf ihrer Handtasche. Und ganz am Schluss, dort auf dem Trottoir - lugte sie aus ihrer Tasche heraus.
"Ich bin nicht sehr gesellig", sagt er. 
Montag, Juli 23, 2007, 18:31 - PRESSE
"Nicht dass ich mich unter Menschen nicht wohl fühle, aber es langweilt mich. Nicht die Menschen, sondern das ganze Drumherum. Was soll das? Es ist nicht produktiv. Ich möchte nur das machen, was ich machen muss: Mode, Fotografie, Bücher. Damit hat sich’s." Er hasst das Telefon und kommuniziert mit der Aussenwelt hauptsächlich durch Faxe, die er in Schreibschrift mit einem Füllfederhalter schreibt. Er betont, dass er nie einsam sei. "Das ist auch so ein Klischee – die Einsamkeit", sagt er spöttisch. "Ich muss für das Alleinsein kämpfen! Und man muss die Batterien aufladen. Menschen, die nicht allein sein können, haben ein Problem. Für Menschen wie mich ist Einsamkeit ein Luxus."

Ausschnitt aus dem leider nicht verlinkbaren Porträt über Karl Lagerfeld "Ewige Gegenwart"
(John Colapinto in der Weltwoche Nr. 28/07).
"C'est à la vanille... 
Freitag, Juli 20, 2007, 19:26 - ESSEN & TRINKEN
... qu'on juge un bon glacier."
la vanille 008

Mit Maître Berthillons Ausspruch im Ohr la vanille 017
zwei verschiedene Vanilleschoten-Arten gekauft (Bourbon & Madagaskar), das Mark und die Samen der Madagaskar ausgekratzt, mit Eigelb, Milch, Rahm und Zucker vermengt und dem Gelato-Chef übergeben. Der erste Versuch war wirklich nicht schlecht.
Beim zweiten Versuch werde ich leichte Änderungen vornehmen: Mir mehr Zeit lassen. Die aufgeschnittene Vanilleschote in der Flüssigkeit leicht erwärmen und längere Zeit ziehen lassen, bevor ich Mark und Samen auskratze, und dann nochmals während des Abkühlens ziehen lassen; und mal ein Versuch ohne Eigelb; bald auch: die andere Vanilleschote, zum Vergleich. – Meister, ich bin dir nahe.

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Ok - ich erzähl’ jetzt mal ein bisschen über meine Erfahrungen mit dem Gelato-Chef:
Angefangen hatte es nicht gerade berauschend: Nach der ersten (immerhin auf Anhieb sehr erfolgreichen) Produktion machte das Rührwerk plötzlich keinen Mucks mehr (lag wahrscheinlich daran, dass ich in Ermangelung anderer „Chefs“ das Ausstellungsmodell erhalten hatte).
Am nächsten Tag ab zum Verkäufer; innert Minuten (Nachschub war bereits eingetroffen) ohne grosse Formalitäten ein neues Rührwerk erhalten.

Seither: Dauerhafte Begeisterung. Funktioniert zuverlässig wie ein Uhrwerk.
Gewöhnungsbedürftig: Der Lärmpegel während des Rührvorgangs! Doch wenn man die hervorragende Qualität des Eises berücksichtigt, mag man das dem Gelato-Chef wohlwollend als typisch italienische Charaktereigenschaft gutschreiben.

Bisherige Meisterwerke: Schokoladeneis. Ingwereis. Pfefferminzeis (erst im zweiten Anlauf gelungen). Bananeneis. Erdbeereis. Himbeersorbet. Neustes: Vanille!!
Bisher noch zuwenig überzeugend: Aprikoseneis. Wassermeloneneis. Keine Ahnung, woran es lag. Wahrscheinlich zuwenig Zucker. Oder Rahm und Zitrone vertrugen sich nicht. Oder die Wassermelone brachte das Flüssigkeitsverhältnis aus dem Lot. Neue Versuche folgen. Bestimmt.

Erkenntnis: Den Zucker- wie auch den Rahm-Anteil kann man nicht beliebig reduzieren (z.B. aus gesundheitlichen bzw. diätetischen Gründen) – die Konsistenz des Eises leidet darunter.
Weitere Erkenntnis: Sobald man die Mengenverhältnisse von Zucker, Milch und/oder Rahm einigermassen im Griff hat (bei Sorbets das Zucker/Wasser-Verhältnis), dann steht dem freien Experimentieren nichts im Weg.

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