Ich komme aus dem Traum. 
Der Küchenpapst... 
Samstag, Februar 11, 2006, 13:47 - PRESSE
... der "De Gaulle des Kochlöffels", der "Küchenkarajan" - wie auch immer: Er feiert seinen 80. Geburtstag, und aus diesem Anlass ist aus der Presse wieder mal vieles zu erfahren, was man schon immer wissen wollte, u.a. dass er
... als "ein Mann seiner Zeit" seit Jahrzehnten mit drei Frauen zusammenlebt, mit der Gattin und zwei "Liaisons". - "Sie sind alle glücklich", behauptet er. ...
Offensichtlich ist er auch in seinem Privatleben ein Meisterkoch, der das fade Lebenssüppchen mit ein paar einfachen, aber exquisiten Zutaten zu einem Festessen zu verwandeln versteht.
Die Gattin als amuse-bouche, eine Liaison als Hauptspeise und die andere zum Dessert?
Das alte Schlitzohr!
Nun, nach einer Herzoperation muss er derzeit leiser treten.
Seine Aussage ..."sie sind alle glücklich"... entbehrt deshalb im Nachhinein nicht einer wohl etwas unfreiwilligen Komik.
Ach, mein lieber Franz. 
Sonntag, Februar 5, 2006, 11:32 - PRESSE
Schon nur allein dafür mag ich dich...

Wir waren ja alle einmal Kinder.
Die meisten Erwachsenen sind dann halt irgendwann aus dieser kindlichen Welt ausgewandert – Migranten aus dem Kinderland. Die Frage ist, ob man das Kind in sich sterben liess oder ob man es gepflegt hat. Ich habe den Kontakt zu ihm immer behalten.

(Franz Hohler; Ausschnitt aus einem Interview.)
Ehre, wem Ehre gebührt. 
Samstag, Januar 28, 2006, 22:00 - PRESSE
Das Magazin der SZ hat es sich in letzter Zeit zur Gewohnheit gemacht, beim Inhalt auf Seite 3 jeweils eine kleine Widmung anzubringen.
Diese Woche hiess es:
Für Friedrich Gulda.
Der grosse Mozart-Interpret starb am 27. Januar, dem Tag, an dem Mozart geboren wurde.
Das fand ich dann beides sehr schön - die etwas unerwartet-überraschende Ehrung Guldas durch die SZ wie auch Guldas ausserordentliche Ehrung Mozarts durch diesen datumsmässig grandiosen Abgang.
Mal sehen, ob ich das einmal auch so werde richten können - das ehrenhafte Datum wüsst' ich schon, nur das Jahr steht vorläufig noch in den Sternen.
Jener kleine Tod von einem Tag zum andern. 
Sonntag, Januar 15, 2006, 19:31 - PRESSE
(...) Jorge Luis Borges sagte: »Stell dir vor, dass das Wachen vielleicht auch nur eine Form des Halbschlafs ist, in der wir träumen, dass wir nicht träumen, und dass der Tod, den wir so fürchten, vielleicht nichts anderes ist als jener kleine Tod von einem Tag zum anderen, den wir Schlaf nennen.« (...)

Hanna Schygulla, "Ich habe einen Traum".
Aufgezeichnet von Andrea Thilo - hier der vollständige Text aus der ZEIT Nr. 48 vom 23.11.2005.
Die schönste Leere der Stadt. 
Sonntag, Januar 8, 2006, 18:32 - PRESSE
Wer in diesen Tagen ausserhalb der Stosszeiten die grosse Halle des Zürcher Hauptbahnhofes betritt, wird ergriffen von einem berückenden Raumgefühl. Ein Licht aus zweifellos überirdischer Quelle streift zu manchen Tageszeiten durch die Fenster und pinselt die Wand. Der Engel von Niki de Saint Phalle wacht über die Unendlichkeit. Die wenigen Passanten zaubern ein leises Trippeln auf den Boden. Was für ein Unterschied zu den Wochen zuvor, als die Hüttchen des Christkindli-Markts in die Halle gepfercht waren! Es ist, als hätte man von einem winzigen Monitor auf einen Grossbildschirm umgestellt: Die Welt scheint auf einen Schlag gross: Eigentlich, so denkt man sich beim Auskosten dieser Grosszügigkeit, müsste der Ort geschützt werden - vor dem Verstellen durch Requisiten diverser Veranstaltungen, die ihn während vieler Wochen im Jahr beschneiden. In Zürich grassiert der Horror Vacui, die Angst vor dem ungefülten, unbespielten und somit scheinbar ungenutzten Raum. Die wunderbarste Profanhalle der Stadt aber entfaltet ihre Magie erst, wenn sie leer ist. Manchmal ist nichts schöner als das Nichts.

urs. in "nebenbei notiert"; NZZ Nr. 5 - 7./8. Januar 2006
Journalisten... 
Dienstag, Januar 3, 2006, 17:03 - PRESSE
... des Westschweizer Wochenmagazins L'HEBDO berichten seit November 2005 täglich
im L' Hebdo Bondy Blog hautnah über die Befindlichkeit der Menschen in einer Pariser Vorstadt.
"Pour voir la France, l'Hebdo s'installe en banlieue. A Bondy plus précisément, où il a ouvert un micro bureau dans lequel se relaient ses journalistes. L'expérience va durer le temps qu'il faudra pour comprendre et raconter les maux français, les pieds dans les cités plutôt que le derrière dans les cafés du quartier latin."
Ethnologische Fundgrube.
Über die Abwesenheit störender Dinge. 
Freitag, Dezember 30, 2005, 10:36 - PRESSE
Ich kann mich an keine Zeit in meinem Leben erinnern, in der ich mich nicht einsam gefühlt hätte. Und ich habe kein Problem damit. Einsamkeit ist der Deal des modernen Lebens, die Vertragsgrundlage. Dennoch scheint mir Einsamkeit das letzte Tabu in unserer Welt zu sein. Wir werden dauernd davon abgelenkt, der Einsamkeit wirklich zu begegnen. Die Vermeidung der Einsamkeit verleitet uns dazu, all dieses unnütze Zeug zu kaufen, das uns zerstreuen soll. Würden wir akzeptieren, wie allein wir wirklich sind, ginge es uns viel besser. Wir wären viel eher in der Lage, gute Gesellschaft zu finden und ein friedvolles, ungestörtes Leben zu leben.
*
Es gibt Umgebungen, die einem dabei helfen können. Ein Hochmoor oder ein weite Ebene. Mein Lieblingsort ist immer dort, wo Wind weht. Oder in Stille mit einem Menschen, mit dem man gemeinsam allein sein kann. Einfach da sein. Den Klang der eigenen Ohren hören. Den Atem. Stille ist sehr inspirierend für mich.
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Ich wohne abgelegen im Norden Schottlands. Wenn Leute von Wildnis sprechen, hat man oft den Eindruck, dass man dort eisern durchhalten muss. Es ist mir beinahe unangenehm zu sagen: Die Wildnis ist mir ein behaglicher, ein tröstender Ort.
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Unweit unseres Hauses gibt es einen großen, weiten Strand. Eine absolut klare Umgebung. Wenn ich nicht dort sein kann, träume ich von einem Strand, wie dem in "A Matter Of Life And Death" von Michael Powell, einer meiner Lieblingsfilme. Es gibt da diese herrliche Szene, in der fällt ein Mann aus einem Flugzeug und überlebt auf wundersame Weise. Aber er nimmt an, er sei tot. Weil er sich an einem unglaublich breiten, menschenleeren Strand wiederfindet. Die Szene spielt in England. Es ist ein nordeuropäischer Strand, mit Dünen und einem riesigen Himmel darüber. Der Mann sieht auf und entdeckt einen kleinen Jungen, der leise Flöte spielt. Also nimmt er an, er sei im Himmel. Ich liebe diese Szene. Wenn ich irgendwo auf der Welt unterwegs bin und mich an einen Ort träume, an dem ich gerade am liebsten wäre, dann an diesen.
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Auch deshalb erscheint mir Einsamkeit als etwas Freundliches: weil ich mich dort nicht nach den Vorstellungen einer Gruppe richten muss.
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Ebenso wenig wie an die Illusion einer Menschengemeinschaft glaube ich an das Glück als Lebensziel. Mir scheint sogar das Streben nach Glück, so wie es in der amerikanischen Verfassung formuliert ist, eine falsche Spur zu sein. Ein Ablenkungsmanöver. Nach Glück zu streben, das ist wie das Streben nach Vanille-Eis. Es ist ein angenehmer Geschmack, aber nicht etwas, was man tatsächlich verfolgen kann.
*
Es gibt einen wunderbaren Essay von Robert Louis Stevenson, AN APOLOGY FOR IDLERS, den ich nur nachdrücklich empfehlen kann. Stevenson ist einer meiner großen Helden, er hat ähnlich empfunden wie ich. Er wusste, dass wahres Glück einem zufliegt. Einsamkeit kann dieses Glück ermöglichen. Durch die Abwesenheit von Dingen, die stören.

Der vollständige Text ist hier zu finden - Tilda Swinton: Ich habe einen Traum.
Aufgezeichnet von Ralph Geisenhanslüke in DIE ZEIT Nr. 49/01.12.2005.
Der Irrtum des Wunschdenkens. 
Donnerstag, Dezember 22, 2005, 15:28 - PRESSE
Unter diesem Titel führt Daniel Amman in der Weltwoche Nr. 50/15.12.2005 die Analyse messerscharf und frei vom verhängnisvollen FVTV ("falsch-verstandene-Toleranz" - Virus):

Darf ein muslimisches Mädchen vom Turnen dispensiert werden? Nein. Der jüngste Entscheid zur Integration ist sexistisch, bigott – und die Spätfolge eines fatalen Fehlurteils.
Ein neunjähriges Mädchen im Berner Dorf Stettlen, so entschied die lokale Schulkommission, wird vom obligatorischen Schwimm- und Sexualunterricht dispensiert. Es darf zudem nur teilweise ins Turnen und nicht ins Schullager. Die Eltern der Drittklässlerin, strenggläubige Muslime aus Libyen, die seit gut einem Jahr als Asylbewerber im Dorf leben, hatten dies aus religiösen Gründen verlangt. Dass ihr Gesuch letzte Woche gutgeheissen wurde, ist verhängnisvoll.

Es ist, erstens, ein sexistischer Entscheid, weil er eines unserer wichtigsten Grundrechte verletzt: «Mann und Frau sind gleichberechtigt», hält Artikel 8 der Bundesverfassung fest. «Das Gesetz sorgt für ihre rechtliche und tatsächliche Gleichstellung, vor allem in Familie, Ausbildung und Arbeit.» Das Mädchen aus Stettlen, das steht ausser Zweifel, wird aufgrund seines Geschlechts diskriminiert. Denn die Söhne strenggläubiger Muslime dürfen baden und turnen, ins Klassenlager und aufgeklärt werden (ohne dass sie erkennbaren Schaden nähmen). Nur den Töchtern wird das verwehrt, weil sie sich verhüllen müssen, weil sie Buben nicht berühren sollen und weil sie nicht ohne männlichen Verwandten ausser Haus übernachten dürfen.

Es ist zweitens ein bigotter Entscheid, weil er die Unterdrückung eines Mädchens akzeptiert und die Religionsfreiheit seiner Eltern höher gewichtet. Und unterdrückt ist dieses Mädchen offensichtlich: Es wird von klein auf der Freiheiten beraubt, die anderen Kindern zustehen. Es wird schon als Neunjährige ausgegrenzt, ausgeschlossen, isoliert. Wer das bestreitet, begreift nicht, was man unter dem Deckmantel der Religionsfreiheit diesem Mädchen verwehrt: die freie Entfaltung. Schullager etwa, das wissen wir alle aus eigener Erfahrung, sind sozial eminent wichtig. Dort werden Freundschaften geschlossen und vertieft, dort wird erste Körperlichkeit erlebt und Gemeinschaftsgefühl entwickelt, dort sind viele Kinder zum ersten Mal länger von zu Hause weg. Dort lernen sie Dinge, die für ihr Leben wichtiger sind, als den Gemeinen Schneeball im Herbarium richtig bestimmen zu können. Sich zu integrieren, zum Beispiel. Die Religionsfreiheit darf nicht dazu herhalten, Unfreiheit zu rechtfertigen und Errungenschaften, die Generationen von Frauen und Männern nicht zuletzt gegen die christlichen Kirchen erkämpften, leichtfertig preiszugeben.

Es ist drittens ein missratener Entscheid, weil er Immigranten aus anderen Kulturkreisen das Signal vermittelt, Integration sei ein Wunschkonzert. Der Vater des neunjährigen Mädchens, so hört man aus Stettlen und findet das einigermassen befremdend, will es «vor westlichen Einflüssen schützen». Wer aber in der Schweiz lebt – egal mit welcher Religion oder Nationalität, egal ob als Arbeiter aus Luzern oder als Asylbewerber aus Libyen –, muss die fundamentalen westlichen Werte akzeptieren, auf denen die bürgerlichen Demokratien fussen. Dazu gehören der Rechtsstaat, die Gleichberechtigung, das Privateigentum, der säkulare Staat und die Auffassung, dass der Mensch ein selbstverantwortliches Individuum ist. Bei diesen Grundwerten gibt es keine Kompromisse. Das ist kein Ethnozentrismus, kein Rassismus, kein mangelnder Respekt für Andersgläubige, sondern das ist die unerlässliche Voraussetzung unserer pluralistischen und demokratischen Gesellschaft. Diese Grundwerte, das darf nicht vergessen gehen, sollen nicht zuletzt alle Bewohner dieses Landes schützen, Schweizerinnen wie Immigranten, die ihre Religion als Privatangelegenheit leben oder nicht an einen Gott glauben. Auch Mädchen, die gerne mit anderen Kindern baden oder kein Kopftuch tragen möchten.

Es ist viertens leider ein nachvollziehbarer Entscheid, weil das Bundesgericht den Schulen die Hände band. 1993 bewilligte es, gegen den Willen aller zuständigen Behörden, eine Zweitklässlerin im Kanton Zürich aus religiösen Gründen vom Schwimmunterricht zu dispensieren. «Das Verbot des gemischtgeschlechtlichen Schwimmens von Kindern, das von strenggläubigen Angehörigen des Islams befolgt wird», heisst es im Urteil, «fällt in den Schutzbereich der Religionsfreiheit.» Dass dieses Verbot diskriminierend ist, weil es in der Realität nur Mädchen betrifft, war den höchsten Richtern keinen Satz wert. An dieses Urteil halten sich Schulkommissionen wie die in Stettlen, wollen sie nicht vor Gericht gezogen werden.

Es ist an der Zeit, dass eine mutige Schulbehörde einen Prozess riskiert. Das Bundesgericht muss dazu provoziert werden, auf sein Urteil zurückzukommen. Die Chancen stehen nicht schlecht. Die Kulturkonflikte in den Schweizer Schulen haben sich in den letzten zwölf Jahren wegen der Einwanderung und der zunehmenden Religiosität verschärft, wie jede Lehrerin und jeder Lehrer bestätigen kann. Durch gutes Zureden, interkulturelle Symposien oder fragwürdige Kompromisse wird man diese Konflikte nicht bewältigen können. Falsch verstandene Toleranz, so zeigt sich in Stettlen erneut, schützt intolerantes Verhalten, das den Grundwerten unserer Gesellschaft widerspricht. Das kann nicht im Sinn des Bundesgerichts sein. Und bestimmt nicht im Sinn einer selbstbewussten, offenen Schweiz.
Liebes Christkind! 
Montag, Dezember 19, 2005, 22:21 - PRESSE
Ich wünsche mir...

Titelbild des Magazins No. 45/11.11.2005 der Süddeutschen Zeitung.

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